SpotLight: Insurance Bonds: Nahe am Wendepunkt
Die aktuellen Anleihebewertungen im Versicherungsbereich spiegeln unserer Ansicht nach nicht die Fundamentaldaten wider. Die Kapitalbasis hat sich im Gegensatz zu den meisten anderen Sektoren im Vergleich zum Beginn des Jahres nochmals stark erhöht.
Höhere Zinssätze unterstützen Solvenzzahlen
Im Januar verglichen wir Insurance Bonds mit Schrödingers Katze, die weder tot noch lebendig war. Die Katze hat sich aus ihrer Kiste befreit und wir glauben, dass sie einen ordentlichen Sprung nach vorne machen wird, denn wir nähern uns einem guten Einstiegspunkt, nachdem Bondbewertungen unter Zinssteigerungen und dem Krieg in der Ukraine gelitten haben. Die Jahresendzahlen und Solvency-II-Quoten der Versicherer zeigten bereits eine Tendenz zur Überkapitalisierung des Sektors, und mehrere Versicherer haben Aktienrückkauf- und Schuldenabbauprogramme beibehalten oder eingeleitet. Wir betrachten diese Programme zusammen mit den Dividenden als ersten Puffer gegen potenziellen Druck auf die Solvency-II-Quoten. Wie wir bereits zu Beginn des Jahres schrieben, stützen steigende Zinssätze in der Regel die Solvency-II-Quoten der Versicherer. Die Ergebnisse des ersten Quartals 2022 bestätigen unsere Ansicht, dass der Versicherungssektor zum Teil wesentlich besser kapitalisiert ist als noch zu Beginn des Jahres. Die positiven Effekte der Zinssteigerungen überkompensieren andere Marktbewegungen wie z.B. Verluste bei Aktien. Der bisher bedeutendste Anstieg der Solvency-II-Quote wurde von CNP gemeldet. Ihre Solvency-II-Quote erhöhte sich um 26 Prozentpunkte, wovon 20 Prozentpunkte auf steigende Zinsen zurückzuführen waren. Die Versicherer, die in Q1 2022 niedrigere Solvency-II-Quoten meldeten, erklärten den Rückgang mit unternehmensspezifischen Problemen, einem allgemein weniger zinsempfindlichen Geschäft und Aktienrückkäufen. Der stärkste Rückgang war bei der Allianz zu verzeichnen, die in Q1 2022 einen Rückgang der Solvency-II-Quote um 10 Prozentpunktemeldete, was auf Aktienrückkäufe, aber auch auf die Bildung einer zusätzlichen Rückstellung für den Vergleich im Rechtsfall «Structured Alpha» in Höhe von 1.9 Mrd. EUR oder 7 Prozentpunkten in Q1 2022 zurückzuführen ist. Der Emittent teilte mit, dass die Auswirkungen der Zinssätze auf die Solvency-II-Quote positiv waren, was im Einklang mit den von ihm offengelegten Solvency-II-Sensitivitäten steht.
Überschaubare versicherte Schäden durch den Krieg
Die Offenlegungen zu den Verlusten aus dem Krieg in der Ukraine gaben bisher keinen Anlass zur Sorge. Wir weisen jedoch darauf hin, dass diese Angaben nicht für den gesamten Sektor einheitlich waren und noch nicht alle Risiken erfasst wurden. Die Versicherungsgeschäfte der Emittenten in unserem Universum sind im Allgemeinen kaum zu Russland und der Ukraine exponiert. Im Verhältnis zur Konzerngrösse sind UNIQA und Vienna Insurance Group am stärksten exponiert, aber die Prämieneinnahmen aus Russland und der Ukraine lagen nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Mehrere Versicherer wie z.B. Generali und Allianz haben sich bereits von den meisten ihrer russischen Einheiten getrennt oder begonnen, diese zu veräussern.
Die versicherungstechnischen Verluste durch den Ukraine-Krieg werden auf 10-20 Mrd. USD geschätzt, dürften aber nach Angaben mehrerer Emittenten eher bei 10 Mrd. USD liegen. Diese Schadenhöhe ist vergleichbar mit einer mittelgrossen Naturkatastrophe. Hingegen bleibt eine gewisse Unsicherheit im Luftfahrtgeschäft bestehen und die meisten Versicherer haben bisher keine Rückstellungen für Schäden im Luftfahrtgeschäft gebildet. Insbesondere Flugzeugleasinggesellschaften könnten grössere Schäden melden, da Flugzeuge, die von russischen Fluggesellschaften geleast wurden, in Russland zurückgehalten werden. Es ist noch unklar, ob Versicherungsansprüche überhaupt entstanden sind bzw. entstehen werden. Die Situation ist ausserordentlich komplex und bei den einzelnen Versicherern und Policen unterschiedlich. Wir gehen davon aus, dass die Regulierung dieser Schäden mehrere Jahre dauern wird. Das Luftfahrtgeschäft ist jedoch für die meisten Versicherer, die wir abdecken, ein relativ kleiner Geschäftszweig. Es ist unwahrscheinlich, dass eine ungünstige Entwicklung zu einem Kapitalereignis führt.
Wertminderungen teilweise mit Versicherungsnehmern geteilt
Auch die Neubewertungen von Vermögenswerten aufgrund des Ukraine-Krieges waren überschaubar. Während die Verluste in absoluten Zahlen hoch erscheinen (z.B. 700 Mio. EUR brutto für die Münchener Rück), werden Wertminderungen der Kapitalanlagen im Lebensversicherungsgeschäft mit den Versicherungsnehmern geteilt und nur zu einem Teil vom Versicherer getragen.
Primärmarkt erwacht wieder zum Leben
In der zweiten Maihälfte erwachte der Primärmarkt nach einer mehrwöchigen Pause wieder zum Leben und mehrere grosse Emittenten traten mit Tier 2-Anleihen in Benchmark-Grösse an den Markt. AXA begab eine T2-Anleihe im Wert von 1.25 Mrd. EUR zur Refinanzierung der Rückzahlung zweier Anleihen, die von XL begeben wurden, bevor die Gruppe von AXA übernommen wurde. Die Rückzahlung erfordert einen Make-Whole-Call, d.h. AXA kauft die Anleihen mit einem erheblichen Aufschlag auf den Marktwert zurück. Wir halten dies für ein Zeichen der Zuversicht. Die Allianz emittierte eine T2-Anleihe im Wert von 1.25 Mrd. EUR zur Refinanzierung der bevorstehenden Kündigung eines alten Perpetuals. Die Münchener Rück begab zum ersten Mal eine auf USD lautende T2-Anleihe im Wert von 1.25 Mrd. USD. Die Transaktion erhöht den Leverage leicht, bleibt jedoch unter dem Niveau vergleichbarer Unternehmen. Athora trat mit einer T2-Emission im Wert von 500 Mio. EUR an den Markt, um die Rückzahlung eines alten Perpetuals zu finanzieren. Alle Neuemissionen entwickelten sich in den ersten Handelstagen positiv, so dass die Anleger – anders als in den Vormonaten – eine gute Neuemissionsprämie erzielen konnten. Das Bild änderte sich im Juni leicht, als die Vienna Insurance Group mit einer T2 und Aviva mit einer rT1 Neuemission an den Markt kamen. Beide schnitten in der ersten Woche in einem schwachen Handelsumfeld nicht gut ab. Unserer Ansicht nach wird mit den jüngsten Neuemissionen ein Rückstau beseitigt, der sich in den letzten Wochen aufgebaut hatte und dieser Rückstau musste abgearbeitet werden, bevor der Markt wieder zur Tagesordnung übergehen kann. Darüber hinaus sitzen viele Fonds auf erhöhten Barbeständen, um auf Rücknahmen vorbereitet zu sein. Sofern diese ausbleiben, wird die Liquidität auch wieder in den Markt finden.
Hohe Spreads dienen als zusätzlicher Schutz
Die Spreads von Versicherungsanleihen haben Niveaus erreicht, die seit dem Einbruch im März 2020, als es aufgrund der Angst vor der Pandemie zu einem marktweiten Ausverkauf kam, nicht mehr erreicht wurden.
Die Renditeniveaus auf EUR-hedged Basis liegen im Bloomberg Insurance Subordinate Total Return Index bei fast 4% und sind in bestimmten Teilsegmenten des Marktes, wie z. B. bei restricted Tier 1, deutlich höher. Wir halten dieses Niveau für attraktiv, wenn man bedenkt, dass die meisten Emissionen in diesem Index mit Investment Grade bewertet sind. Dieses erhöhte Spread-Niveau sollte den Anlegern zusätzlichen Komfort bieten und als Schutz gegen eine mögliche weitere Spread-Ausweitung dienen. Im Vergleich zum Jahresanfang können die Anleger nun von höheren Spreads bei höheren Solvency-II-Quoten profitieren. Wir erachten den Zeitpunkt für eine Investition in Insurance Bonds als günstig.
Rötger Franz, Partner, Plenum Investments AG
Mit freundlichen Grüssen
Plenum Investments